Bologna und Bachelor: Realitätsverweigerung seit 20 Jahren
Stuttgart. „Der Bologna-Prozess ist keine Erfolgsstory“. Mit diesen Worten verwahrte sich der wissenschaftspolitische Fraktionssprecher Dr. Bernd Grimmer MdL gegen das starre Beharren von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) auf der gegenteiligen Perspektive. „Vor 20 Jahren begann ein Alptraum für unsere Hochschulen und die Wirtschaft gleichermaßen. Mit einer rein politisch motivierten Entscheidung wurden beiden tiefgreifende Veränderungsprozesse aufgezwungen. Ohne Rücksicht auf Verluste war die Vergleichbarkeit der Studienabschlüsse und die Erleichterung des grenzüberschreitenden Studienortwechsels das Ziel. Nationale Differenzierungstendenzen trafen auf die europäische Vereinheitlichungstendenz, die aus der verstärkten Ausrichtung des Wissenschaftsbetriebs an den Funktionsprinzipien von Markt und Wettbewerb resultiert. Und die hat sich durchgesetzt, leider durchgesetzt.“
Für eine echte Neukonzeption der Hochschulbildung mit Bedarfsanalysen und klarem Konzept habe es weder Zeit noch Geld gegeben, kritisiert Grimmer. „Im Gegenteil: Wir mussten bei laufendem Betrieb die Transformation leisten – und das bei steigenden Studentenzahlen. Und auf diesem Weg geht Karliczek tatsächlich konsequent weiter. Konsequent freut sie sich über unwesentliche Dinge wie den Studentenaustausch und will uns glauben lassen, das sei eine Errungenschaft. Konsequent verschließt sie die Augen vor der Wahrheit, dass das Studium extrem verschult wurde, Studenten keine Wahlfreiheit und eine sehr hohe Prüfungsdichte haben und am Ende ihres Studiums weder fachlich noch persönlich auf das Arbeitsleben vorbereitet sind. Wie es um die Qualität des Wissens der Absolventen wirklich steht, davon können die Arbeitgeber ein Lied singen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag hat 2018 eine Umfrage veröffentlicht, nach der über die Hälfte der befragten Unternehmen vom Bachelor enttäuscht war – zu praxisfern, lautet die Hauptkritik. Doch diese Perspektive wird von Karliczek ausgeblendet. Leider ausgeblendet.“