Das Selbstverständnis der Medien hat sich grundlegend gewandelt. Man begnügt sich längst nicht mehr damit, die Wirklichkeit zu beschreiben und Fehlentwicklungen aufzuzeigen. Man will gesellschaftliche Entwicklungen anstoßen und maßgeblich mitgestalten.

Der manipulative Charakter dieses Ansinnens lässt sich wunderbar hinter dem Begriff „Konstruktiver Journalismus“ verbergen. Eine relativ neue Denkschule, die den Anspruch erhebt, die vermeintlichen Unzulänglichkeiten des klassischen Journalismus zu überwinden.

Analog zu „konstruktiver Kritik“, will sich auch der „konstruktive Journalismus“ nicht allein auf die Beschreibung von Problemen beschränken. Man wolle darüber hinaus auch das Positive ansprechen, Visionen entwerfen und Problemlösungen aufzeigen.

Natürlich beruft man sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse. Empirische Studien hätten gezeigt, dass der Mensch in Hoffnungslosigkeit und Antriebslosigkeit verfalle, wenn ihm pausenlos vermeintlich ausweglose Situationen vor Augen geführt würden.

Man solle tunlichst vermeiden, ein einseitig negatives Weltbild zu vermitteln. Dies hätte eine fatale Wirkung auf die menschliche Psyche. Stress, Zynismus, Depression und Passivität wären die Folgen, und die wiederum hätten negative Auswirkungen auf die Gesellschaft.

Dieser theoretische Überbau könnte erklären, warum kritische Medien in den Haltungsjournalismus abgleiten, die strikte Trennung von objektiver Berichterstattung und subjektivem Kommentar über Bord werfen und ihre Beiträge immer öfter weltanschaulich „framen“.

Was hier als „konstruktiv“ gerühmt wird, hat tatsächlich destruktiven Charakter. Medien, die sich dazu hinreißen lassen, für eine vermeintlich gute Sache Partei zu ergreifen, haben ihre Daseinsberechtigung verloren. Erziehungsanstalten braucht kein Mensch.

https://www.dw.com/de/medien-konstruktiver-journalismus-und-l%C3%B6sungsorientierter-journalismus-probleme-sind-nicht-alles/a-55938822